Rezensieren und bewerten: Was es mit uns macht.

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Die vergangenen Wochen habe ich mir Gedanken rund um das Thema Rezension und Bewertungen gemacht. Unter Bloggern und Autoren ist das ja etwas ganz Wichtiges, es geht um Sterne, Ranking, Werbung und Präsenz. Gesehen werden und neugierig machen, um neue Leser oder aber auch neue Follower als Blogger zu erhalten. Nun ist es so, dass seit ich selbst schreibe und veröffentliche, Rezensionen noch wertvoller für mich geworden sind und ich aber gleichzeitig auch kritischer geworden bin. Jetzt wo ich Kontakte mit Lektoraten und Korrektoraten hatte und ich weiß, auf was ein Verlag schaut und wie Marketing so funktionieren könnte. So wird es natürlich fast jedem Schreiberling gehen. Ich persönlich habe sehr wohl mehr Skrupel entwickelt mich negativ über die Werke anderer zu äußern. Aber man muss und darf ja nicht alles immer gut finden oder? Muss man sich enthalten wenn man es scheiße fand? Definitiv nicht. Man sollte immer seine ehrliche Meinung sagen, doch das Thema "wie" ist ja immer ein großes Thema gewesen. Zusätzlich stelle ich mir in letzter Zeit immer häufiger die Frage: Wer bin ich denn, der jemanden anderes Schreibstil "bewertet" und für gut oder schlecht abstempelt?
Dabei bin ich auf den Unterschied gestoßen, ob man einen Leseeindruck hinterlässt oder eine Kritik. Eine Kritik, wie sie es auch für Filme oder Aufführungen, Opern gibt, wird meist (hoffentlich) von Leuten aus dem Fach gemacht. Naja, das ist jetzt übertrieben gesagt, denn meistens sind auch das nur Menschen, die einfach viel Filme schauen und für ein Magazin dann ihre Meinung äußern. Trotzdem kommt der Ursprung daher. Wir neigen dazu alles zu kritisieren und zu bewerten. Dabei finde ich das wirklich verwunderlich, denn wir Menschen neigen dazu, alle verschiedene Befindlichkeiten zu haben. Wir nehmen Dinge komplett unterschiedlich wahr, interpretieren selbst Sachen hinein und leiten unsere Meinung dann davon an.
Zudem ist es ein großer Unterschied ob ich das bei einem Glas Wein daheim am Sofa bei meinen Freunden mache, oder öffentlich für alle zugänglich. Meiner Meinung nach muss da ganz klar unterschieden werden WIE ich Kritik äußere. Denn Fremde persönlich anzugreifen oder direkt oder indirekt zu beleidigen ist nie erstrebenswert. Das bedeutet für mich also, ja: ich darf negative Dinge ansprechen.
Ich habe allerdings darüber nachgedacht, was ich mit einer Rezension eigentlich bewirken möchte. Nämlich nicht die Autorin oder den Autor zu bewerten. Ich wollte nie andere Schreiberlinge darauf stoßen, dass ihr Stil schlecht ist oder ich ihr Werk langweilig finde. Hauptsächlich war es mir ein Anliegen meinen Eindruck wider zu geben und potenzielle neue Leserinnen neugierig zu machen oder auf gewisse Dinge hindeuten. Im positiven, wie negativen, damit ihnen ein Kauf leichter fällt. Ich wollte mich nicht abreagieren, wenn ich mich über einen Plot oder ein Buch geärgert habe und ich wollte nie anderen Lesern ein Buch madig machen, oder mich darüber belustigen, wieso "so etwas" überhaupt lesen.
Grammatik, Plotwist, Schreibstil, Dialoge, Setting, Charakterentwicklung und und und. Das alles ist wichtig, um ein Buch gesamt abzurunden. Es scheint auch dafür konkrete Regeln zu geben. Vorgaben, die man als Autorin tunlichst einhalten sollte und lernt. Ich muss gestehen, oftmals habe ich mich neidisch geärgert, dass Werke, die auf den ersten Blick keiner dieser Regeln entsprechen trotzdem so erfolgreich sind, gehypt werden und sich mega verkaufen. Ich fand das so ungerecht, gibt man sich selbst ja soviel Mühe um das alles richtig zu machen. Und dann ist da "jemand" der auf all die Regeln scheißt und dennoch landet das Buch in Bestesellerkreisen. Das war allerdings die falsche Einstellung für mich und ich möchte mich gerne von diesen negativen Gedanken lösen.
Es ist am Ende so, dass Lesen und Schreiben komplett kreativ und subjektiv sind. Jeder deutet und fühlt Dinge anders. Man legt auf verschiedene Dinge wert und daher ist meine Kernfrage: Was macht ein Buch denn gut? Ganz kurz und knapp: Wenn der Leser mittendrin und gefesselt von der story war. Unterhaltung, Trost, Ablenkung, Träumerei. Das alles können Bücher sein. Und dafür gibt es kein Rezept. Also muss man sich sagen: Ja es ist gut, dass es gewisse Taktiken, Strategien und Regeln gibt, die es einem erleichtern eine Struktur ins Schreiben zu bringen, aber am Ende entscheidet das leider und Gott sei Dank nicht über Erfolg.
Was hat das nun mit Rezensionen zu tun? Ich habe mir vorgenommen, nicht mehr klassisch im Sternesystem zu rezensieren. Das ist für diverse Plattformen zwar wichtig und dort werde ich es bestmöglich weiterführen, weil auch ich keine Alternative sehe schnell ein Ranking zu erlangen und die Stimmung sichtbar zu machen, aber für eine Leseempfehlung sind Sterne meiner Meinung nach nicht wichtig.
Wie oft lese ich „Tolles Buch, hat mich begeistert“ – 3 Sterne. Oder „Meins war es nicht, las sich aber gut“ – 4 Sterne. Für jeden haben die Sterne also auch eine andere Wertigkeit.
Bei der reado-app kann man die Bücher übrigens über Emotionen mittels einem Regler bewerten und ich liebe das. Es vermittelt einen Gefühlseindruck über das Buch und sagt viel mehr aus, als 3 oder 4 Sterne. Das wäre eine tolle Zukunft auf kreativen Bewertungsplattformen.
Ich möchte mir also in Zukunft vornehmen, auch bei Büchern, die ich fachlich oder thematisch als mangelhaft empfinde, gut zu bewerten, im Sinne von „Ok, ich fands sau blöd, aber wem könnte das denn gefallen?“ Es gibt für jedes Buch eine Leserschaft. Das muss man nun mal akzeptieren, wenn man nicht alle Genren dieser Welt bedienen möchte und nicht alle Menschen lieb hat und ihnen gefallen will. Der eine liebt intensive Emotionsabschnitte, der andere mags nüchtern.
Viel wichtiger für mich wird, was mir „aufgefallen“ ist oder was hängen blieb. Was mich beeindruckt oder abgeschreckt hat. Im Guten und Schlechten. Was ich dabei fühlte und wenn schon nicht für mich, für wen es denn sonst toll sein könnte. Als nettes Beiwerk dazu wurde mein Frust beim Lesen weniger. Weil ich nicht ständig dran denke „Wieso um Gottes Willen ist das so erfolgreich? Wieso liest man sowas? Wieso hat das keiner korrigiert? Wieso wird MIR sowas angekreidet, aber hier ist es ein Erfolg? Meine Lektorin hat gesagt das darf man nicht“.
Man soll einerseits das Vergleichen mit anderen lassen, andererseits gehört es halt einfach dazu um sich weiterzuentwickeln, inspirieren zu lassen und zu lernen. Aber im kreativen Geschäft gibt es wie erwähnt, keine fixe Vorgabe, die alles garantiert und Glück und Timing spielen eine große Rolle. Mann kann nur seine eigene Kreativität aufs Papier bringen und abwarten, ob es andere mitreißen kann und ob es die richtige Zeit dafür ist.
Daher bis auf weiteres: Keine Schulnoten, keine Sterne von mir, sondern mehr Leseeindrücke 😊
Ich möchte allen Lesern ans Herz legen: Bitte schließt kein Buch aus, nur weil es viele negative Bewertungen auf den typischen Plattformen hat. Lest sie euch vielleicht durch und entscheidet dann selbst, ob der Inhalt euch trotzdem begeistern könnte. Diese ganze Sternegeberei ist mitunter auch ein großes Geschäft. Verlage vergeben unzählige Rezensionsexemplare. Es gibt Gewinnspiele oder wenn eine Autorin bereits bekannt ist, schreiben die Fans sowieso direkt nur Lobeshymmnen. Das ist auch generell gut, aber eben nicht das Nonplusultra für eine subjektive Bewertung. Teilweise werden Rezensionen leider auch illegal gekauft.
Bitte schreibt dennoch Rezensionen, denn damit unterstützt ihr alle Schreibenden Personen immens und gebt unbedingt eure Leseeindrücke weiter. Habt keine Angst auch mal negative Dinge zu schreiben, aber wie überall empfehle ich bei der "Bewertung" von kreativen Inhalten immer: Seid ehrlich, aber nicht respektlos oder herablassend. Versucht viel eher eure Liebe zu einem Buch auszudrücken oder zu erklären, warum genau dieses nichts für euch war, denn dann könnte jemand denken "okay, für mich klingt das aber genau richtig". Teilt eure Begeisterung oder weist auf kritische Dinge hin und diskutiert mit anderen Leserinnen und Lesern, denn dann haben alle etwas davon.
Viel Spaß beim Lesen und Rezensionen schreiben wünsche ich uns allen :)
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