Zitat aus Disneys »Alice im Wunderland-Hinter den Spiegeln« (2016)
Alice: »Ich habe immer gedacht, die Zeit wäre ein Dieb, die mir alles stiehlt, was ich liebe. Aber jetzt weiß ich, dass Sie geben, bevor Sie nehmen und jeder Tag ist ein Geschenk. Jeder Stunde. Jede Minute. Jede Sekunde.«

Diesen Beitrag widme ich dem Thema Zeit und wie wir sie nutzen. Natürlich möchte ich mich speziell auf Lese- sowie Schreibzeit beziehen, aber auch einen kleinen generellen Gedankenexkurs wagen. Manchmal habe ich eine philosophische Ader, also wenn ihr grad keine Zeit habt *Wortspiel*, dann könnt ihr wegklicken.
Die Idee dazu kam mir bei einem Post in der lieben »Zeilenspringer« Gruppe auf Facebook, bei der mir aufgefallen ist, dass meine Antwort derart lang ausgefallen wäre, dass ich mich lieber dazu entschied dies hier extra einmal aufzuschreiben.
Vorweg gebe ich hier niemanden professionelle Ratschläge (Um Gottes Willen, denkt sowas bloß nicht!) Sondern ich tippe nur meine persönlichen Gedanken auf, die solange gegen meine Stirn von innen hämmern, bis ich ihnen freien Lauf lassen muss, ehe mein Hirn explodiert. Reiner Selbstschutz also. Aus Versicherungs- und Hygienegründen.
Begonnen hat diese Thematik mit dem Post darüber, dass sich viel-lesende Menschen oftmals dafür rechtfertigen, dass sie gerade nicht viel lesen. »Ich habe gerade keine Zeit« ist nur der harmlosere Satz, der dabei aufkommt. Meistens geht es eher in die Richtung der Anfeindungen »Wie schaffst du es nur soviel zu lesen?«. Immer wieder kommt es darauf zu Diskussionen, dass eigentlich nur »faule« oder »nicht arbeitende Menschen« oder auch einzig und allein »kinderlose« Personen es schaffen, regelmäßig zu lesen. Am Ende wird sich, wie immer im Internet, wenig damenhaft angezickt und man rechtfertigt sich für etwas, das meiner Meinung nach keiner Rechtfertigung bedarf. Aber woher kommt dieses Bedürfnis? Wieso muss man erklären, wann man wie viel oder wenig liest. Das Ganze lässt sich natürlich äquivalent auch aufs Schreiben umwälzen und auch das möchte ich nachher ansprechen.
Als kleiner Exkurs muss ich hier mal sagen, dass ich ganz persönlich davon überzeugt bin, dass kaum ein Mensch WIRKLICH für IMMER absolut - null komma nichts - keine Zeit hat, um seinen Hobbies nachzugehen. (Ich rede von »Nebenbei« Hobbies und nicht vom Fallschirmspringen, täglichen vier Stunden Bodybuilding Training oder dem Dressurreiten). Es ist individuell und hängt von jeder Lebenssituation ab, wie viel Freizeit jemand hat. Ein Student, der zu Hause wohnt und nicht arbeiten muss, hat eventuell mehr Lesestunden, als ein alleinerziehender Papa mit drei Kindern. Vielleicht, aber nicht zwingend. Der Student könnte seine Zeit genauso anders verbringen »müssen« sowie der Papa es womöglich sogar schafft, jeden Tag in der Früh eine halbe Stunde zu lesen oder zu schreiben. Wichtig ist mir hier, dass man nicht pauschalisiert und andere sofort in den bunten Vorurteilskarton steckt. (Außer man ist eine Katze.)
Sich Zeit zu nehmen hängt größtenteils von sich selbst ab. Damit möchte ich niemanden angreifen, der nun gestresst die Hände über den Kopf wirft oder sich wütend die Haare rauft und brüllt wie selbstgefällig ich denn eigentlich bin, sondern jeden dazu aufrufen genau drüber nachzudenken. Vorweg: Selbstverständlich gibt es Momente, in denen jemand tatsächlich keine Zeit für Nebensächlichkeiten hat! Darauf komme ich aber noch ;-) Also steinigt mich erst am Ende des Beitrages, dann bin ich aus der Puste und ihr trefft besser!
Es ist generell wichtig, sich ZEIT für sich zu nehmen. Unabhängig vom Hobby Lesen. Die Seele und die Psyche brauchen das ganz dringend. Wie man diese Zeit gestaltet ist dabei egal, solange es etwas ist, das glücklich und zufrieden macht. Das ist keineswegs einfach, doch langfristig wird niemand ausgeglichen bleiben, wenn man darauf ununterbrochen verzichten muss. Manchmal bewusst, manchmal unbewusst. Natürlich gibt es Lebensphasen oder Situationen, in denen man schlichtweg keine freie Sekunde hat, in der man seinen Kopf den Hobbies widmen kann. So wurde das Universum beim Urknall nun mal konstruiert. Es gibt Familie und Freunde, um die man sich, nicht nur in der Not, kümmern muss/darf/sollte. Es gibt den Job und den Beruf, der einem das Geld für unwichtige Dinge wie Essen und Miete bringt und es gibt Tragödien, die niederschmettern. Doch dies hält meistens jeder nur begrenzt aus. Selbstverständlich muss das persönliche Befinden auch einmal hinten anstehen und Däumchen drehen. Es gibt Wichtigeres als Schreiben, Lesen, Malen, Singen, Tanzen, Katzenbauchstreicheln, Netflix süchteln oder Pokemon spielen. Aber nicht für immer. Ich glaube fest daran, dass Menschen, die trotz allem, es schaffen sich regelmäßig (und nope, ich bestimme nicht was regelmäßig sein soll) Zeit für sich zu nehmen, glücklicher sind.
Das kann sein; der Kaffee am Morgen, der nach Mandelaroma duftet. Zehn Minuten in der Sonne sitzen und dank Klimaerwärmung einen Tomatenschädel zu kriegen. (Wenns gefällt, bitte: Soll jeder machen solange die Glückshormone dabei aus ihrem Loch kriechen und ihre modrigen Gelenke knacken lassen) Es kann auch ein Kapitel im aktuellen Buch sein oder für Autoren eine Seite schreiben!
Das Ganze hat (Achtung psychologischer neunmalkluger Satz ist im Anflug) mit »Achtsamkeit« zu tun und kann geübt werden. Sich bewusst werden, was einem gut tut und wie viel man davon braucht. Das ist für manche kinderleicht und für andere ein Meilenstein. Niemand darf darüber bestimmen, was diese »Zeit« sein soll und niemand darf darüber urteilen, ob dies qualitativ zählt.
Diese ganzen Diskussionen rund um »Ich könnte niemals soviel lesen, denn ich habe soviel zu tun« arten meistens in Gejammer aus. Jeder versucht sich am Ende darin zu übertrumpfen, wieso er nicht der Ärmere mit am wenigsten Zeit ist und wieso alle anderen, die es schaffen 10 Bücher in einer Woche zu lesen oder 5 Romane in einem Jahr zu schreiben doof sind. Sind wir ehrlich, wir leben in einer Gesellschaft, in der es anerkannt wird, wenn man sich nonstop den Arsch aufreißt. Workaholics werden meist bewundert, während Menschen, die (aus purer Absicht) weniger eingespannt sind, belächelt werden. Nein, ich rede jetzt nicht von Situationen, für die man nichts kann oder in denen man sich gewollt oder ungewollt für andere aufopfert. Nein, ich möchte keine arbeitsfleißigen Menschen dissen. Heutzutage ist es allerdings schon schick zu sagen »ich bin so gestresst, ich habe keine Zeit«, im Gegensatz zu »ich weiß gar nicht, was ich heute alles tun soll, ich habe nichts vor«. Manchmal ergibt sich mir der Eindruck, dass es Menschen sogar darauf anlegen, ständig beschäftigt zu wirken, nur um nicht als nach Paprika Chips stinkender Sesselpupser abgestempelt zu werden.
Kurzer Zwischensatz: Im Idealfall gibt es ein Mittelmaß zwischen verwesende, von Fliegen umkreiste, Sofakartoffel und 20 Stunden arbeitender gefühlloser Roboter.
Das hat für mich aber nichts miteinander zu tun. Worauf ich (zugegeben mit den viel zu vielen Wörtern) hinaus will, ist, dass man sich gerne bemitleidet und gerne damit angibt, wie fleißig man ist. Das ist ja auch großartig! Weiter so! Aber vergesst euch selbst dabei nicht. Geht in euch und überlegt, ob ihr WIRKLICH keine Zeit habt, weil es das Leben gerade nicht zulässt, oder ihr vielleicht doch nur unmotiviert seid. (Ey, das wäre auch völlig okay, aber man sollte sich dem halt bewusst sein!)
Wichtig ist meiner Meinung nach, dass die Phasen, in denen das Leben versucht, jegliche Energie aus einem zu ziehen, nicht permanent sein sollten. Langfristig braucht jeder eine Auszeit. Man sollte sich weniger Gedanken darüber machen, dass man gerade keine Zeit hat, sondern eher überlegen, wann/ob sich das denn voraussichtlich ändern wird und wie man daran arbeiten kann. (WENN es denn einem wirklich fehlt und man nicht nur mit anderen konkurrieren möchte.)
Um das Ganze zurück zum Thema Schreiben und Lesen zu bringen, fällt mir dazu der aktuelle NaNowrimo ein. Der alljährliche Schreibcontest, bei dem sich unzählige Autoren aus aller Welt zusammenschließen, um sich zu motivieren. Eine feine Sache, bei der grandiose Dinge herauskommen! Es gibt ein tägliches Ziel und in Foren sowie mit seinen Kontakten tauscht man sich aus. Die Flut an »ich habe mein wording geschafft« Posts ist aktuell enorm! Dabei passiert es, dass sich manche Menschen dadurch genau jene Zeit fürs Schreiben nehmen, die sie vorher vielleicht anders genutzt hätten. Man schreibt zusammen, setzt sich hin und ist am Ende glücklich. Was ich dabei kritisch betrachte, ist allerdings, dass man es nicht in umgekehrter Weise dazu kommen lassen darf, dass es einem zu sehr unter Druck setzt. Klar, viele brauchen das als »Arschtritt«, aber am Ende soll es Spaß machen. Deswegen ist das Ganze auch auf einen Monat beschränkt ;-)
Wenn man der Typ Mensch ist, dem es hilft solche Ziele zu haben, sollte man solche Projekte auch nutzen. Generell können dann fixe Rituale helfen. »Jeden Morgen lese ich auf dem Klo ein paar Seiten« zum Beispiel. Manche kann sowas wirklich motivieren, sich Zeit zu nehmen. Das gilt auch für andere Hobbies, ich wollte hier nur beim Thema Lesen/Schreiben bleiben. »Malen nach Zahlen« empfehle ich dann weniger beim morgendlichen Pipi-machen, genauso wenig das Musizieren mit Streichinstrumenten. (Ich spreche NICHT aus Erfahrung.)
Wenn man hingegen jemand wie ich ist, der dabei nur dran denkt, dass man sich, in Bezug auf den NaNowrimo Contest, nicht von fremden Internetusern dazu drängen lassen will, eine bestimmte Wortanzahl pro Tag zu schreiben, sollte man es lassen xD. Ich reagiere da wie ein Trotzzwerg und schaffe gar nichts. Ich bin aber auch ein sehr (Achtung professioneller Ausdruck folgt) achtsamer Mensch, der sich viel Zeit nimmt und zu einer Spur Egoismus neigt. (Ich habe trotzdem Freunde. Ehrlich, die mögen mich sogar. Ein bisschen.)
Im Bereich Schreiben und Lesen darf sich niemand einengen lassen. Lest, wenn ihr wollt, soviel ihr wollt. Habt kein schlechtes Gewissen, wenn ihr mal ein paar Wochen nicht lesen könnt oder gegenteilig eure Bücher regelrecht samt Cover gefressen habt. Ballaststoffe sind immer gut für die Verdauung ... Fehlt euch das Lesen wirklich so sehr, dass es euch in der Seele wehtut, versucht kreative Lösungen zu finden oder zumindest abzusehen, wann sich wieder mehr Zeit ergeben wird als Lichtblick.
Ich schließe hier übrigens die berufstätig lesenden und schreibenden Menschen mal aus. Wenn ihr Lektor seid und eure Autoren wochenlang warten lässt, weil ich, Klugscheißer, das hier geschrieben habe, hafte ich für keine Klagen! Genauso darf bitte kein Autor seinen Vertrag beim Verlag brechen, weil die Deadlines nicht eingehalten werden :P Da kriegt man Geld dafür, das ist etwas anderes!
Ihr seht, all das hätte niemals in einen Facebook-Post gepasst. Mir liegt es einfach sehr am Herzen, dass ein heißes Bad mit viel Schaum und Buch so viel mehr sein kann, als eine Beschäftigung. Seelenpflege nennt man das und jeder hat das Recht dazu. Wir alle sollten damit aufhören uns an anderen zu messen und dabei sich oder andere abzuwerten. Schwer belastenden Druck, den man sich selbst macht muss man lernen zu erkennen, um ihn verpuffen zu lassen. Manchmal braucht ein Autor Jahre für ein Buch und manchmal ist es in wenigen Monaten niedergeschrieben. Qualitativ muss das nichts daran ändern. Menschen die genau EIN (ja EIN!!) Buch im Jahr lesen, können sich trotzdem als »Leser« bezeichnen und niemand darf dem anderen vorschreiben, wie er die Lese- und Schreibzeit zu nutzen hat.
So, ich geh jetzt Alice im Wunderland anschauen und Tee trinken! Gönnt euch allen die eine oder andere Sekunde für euch selbst!
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